Städtebauliches Konzept
Das Wettbewerbsgrundstück mit einer Fläche von rund 16’000 m2 wird durch eine nord-südlich verlaufende Böschung in zwei unterschiedliche Niveaus geteilt. Zwei Baukörper, einer entlang der Westgrenze, der andere entlang der Ostgrenze, besetzen diese Ebenen und definieren, zusammen mit zwei Kopfbauten einen grossen gemeinsamen Hof, der sich gegen Süden öffnet. Die Topographie bleibt weitgehend erhalten, der natürliche Landschaftsraum fliesst zwischen den Baukörpern durch.
Die Eingänge zur Siedlung im Norden und im Süden des Grundstückes sind durch die versetzte Stellung der Kopfbauten räumlich klar definiert und schaffen an optimaler Lage die Anbindung ans öffentliche Wegnetz. Die gradlinigen 4- bis 5-geschossigen Baukörper sind, dem Geländeverlauf entsprechend, abgetreppt. Ost- und westseitig gliedern die mit senkrechten Nutzgärten bewachsenen Balkone und Lauben die klar strukturierten Fassaden. Die grosszügigen Balkone sind ge- gen den Hof gerichtet. Form und Grösse variieren leicht, sodass eine bewegte Gebäudeoberfläche entsteht, ohne dass die Kompaktheit des isolierten Gebäudeteils gestört wird.
Die Laubengang-Erschliessung ist durch ihre eigene Geometrie erkennbar. Es entstehen möblierbare Zonen sowie interessante Sichtbezüge zu den Balkonen in den anderen Geschossen und in den grossen Hof, so dass soziale Kontakte gefördert werden.
Das halböffentliche Eingangs-Geschoss ermöglicht die rollstuhlgängige Erschliessung der Hauszugänge. Gemeinsam benutzte Haushalträume, Kinderwagenräume, ein Teil der zumietbaren Räume sowie die Küchen von Klein- und Maisonette-Wohnungen beleben dieses Geschoss.
Ruhiger Innenhof
Der östliche Baukörper wird mehr als 20 m von der Geleiseachse abgerückt, so dass die geforderten Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Zudem übernimmt die bewachsene, vorgehängte Laube eine Art Filterfunktion. Der Baukörper entlang der Bahnlinie beruhigt den optimal geschützten Innenhof.
Einfache Erschliessung
Dank der vorgeschlagenen Laubengang-Erschliessung kommt das Projekt mit einem Minimum an Verkehrswegen und Liften aus. Zudem sind sämtliche Hauseingänge über den Laubengang rollstuhlgängig erreichbar. Die grosszügigen Eingangsräume können im Sommer vollständig geöffnet werden und eignen sich für Spiel und Aufenthalt. Das Eingangsgeschoss wird damit zur Begegnungs- und Aufenthaltszone.
Die Wohnungen werden über 12 Treppenhäuser mit grossen, belichteten Treppenaugen erschlossen. An den vier Gebäudeenden sind die 3 oder 4 Wohnungen pro Etage auch über Lifte zugänglich, sodass insgesamt ca. die Hälfte aller Wohnungen mit dem Rollstuhl erreichbar sind.
Die übrigen Treppenhäuser erschliessen zwei Wohnungen pro Etage. Dank der zentralen Lage des Laubengangs und der daran angeschlossenen Haushalträume sind die zu absolvierenden Treppenwege minimiert. Dank der direkten Erschliessungsmöglichkeit von Wohnungen vom Laubengang oder vom Garten her, liegen auch bei den wenigen 5-geschossigen Häusern nicht mehr als acht Wohnungen an einem Treppenhaus. Zudem lässt der vorgeschlagene Grundrisstyp in der Planungsphase die Nachrüstung von Liften zu.
Die 40 geforderten Auto-Parkplätze sind peripher angeordnet: entlang der Nordgrenze und entlang der Bahnlinie. Es sind neben offenen auch 6 gedeckte Parkplätze vorgesehen. Das Innere der Siedlung ist den Velos und den Fussgängern vorbehalten. An den vier Enden der Baukörper sind pro Wohnung je 3 gedeckte Velo-Abstellplätze vorgesehen.
Die Containerplätze sind an gut frequentierten und befahrbaren Orten geplant.
Der öffentliche Fuss- und Veloweg verbindet die Grund- und die Arbergstrasse an otpimaler Stelle, so dass auch die privaten Srassen ins Wegnetz einbezogen werden können.
Vielfältige Wohnungen
Die Wohnungen wurden anhand des Wohnungsbewertungssystems des Bundes (WBS) und den Vorgaben der Bauherrschaft entwickelt. Trotz der minimierten Flächen haben die Wohnungen grosszügige Gangbereiche und schöne Sichtbezüge von Fassade zu Fassade.
Die Räume sind gut proportioniert und gut belichtet. Die gegen Südost und Südwest ausgerichteten Balkone ergeben weite Blicke in den gemeinschaftlich genutzten Hof.
Die insgesamt 120 Wohnungen halten den Wohnungsmix ziemlich genau ein. Dank zumietbaren Zimmern kann er an sich verändernde Bedürfnisse angepasst werden. Die grossen, nutzungsneutralen Räume ermöglichen unterschiedliche Möblierungs-Varianten. Dank nichttragenden Trennwänden sind auch Grundrissanpassungen möglich.
Trotz der konsequenten Umsetzung des für den Holzbau optimierten Grundrasters wird eine grosse Zahl an verschiedenartigen Wohnungen angeboten. Die Wohnungen reagieren auf die spezifische Lage im Gebäude oder auf die Besonnungsverhältnisse. Am Laubengang werden zumietbare Zimmer, Kleinwohnungen und Maisonette-Wohnungen angeboten. Dies sind ideale Voraussetzungen für eine lebendige und vielfältige Mieterschaft (Familien, Rentner, Wohngemeinschaften, Singles usw.). Auch die Ansiedlung von Mietern, die hier wohnen und arbeiten, ist denkbar.
Die schlicht gestalteten Wohnungen bieten Raum für Individualität und Rückzugsmöglichkeit. Über den gemeinschaftlich genutzten Innenhof, an dem auch die halböffentliche Erschliessungszone liegt, wird ein innerer Zusammenhalt in der Siedlung ermöglicht. Nutzgärten und der zentrale Gemeinschaftsraum bieten weitere Kontaktmöglichkeiten.
Etappierung
Die zwei, etwa gleich grossen Etappen können unabhängig voneinander realisiert werden. Alle bestehenden Gebäude und die Nutzgärten bleiben in der 1. Etappe erhalten. Die geplante Verbindung von der Grund- zur Arbergstrasse kann jederzeit erstellt werden.
Der neue, zentral gelegene Gemeinschaftsraum wird in der 2. Etappe realisiert. Im bestehenden Bauernhaus könnte eine Übergangslösung angeboten werden.
Kostengünstige Erstellung und Bewirtschaftung
Die kompakte Bauweise und die klare Baustruktur ermöglichen eine kostengünstige Erstellung, die pragmatische Materialwahl eine unterhaltsarme Bewirtschaftung. Der isolierte Baukörper ist in Holzbauweise mit vorgehängten, witterungsbeständigen Holzwerkstoffplatten (Formboard) geplant. Die vorangestellten Balkonbauten sollen mit Metallstützen und Betonplatten erstellt werden, sodass sie der Witterung und dem Bewuchs durch Kletterpflanzen standhalten.
2000-Watt-Gesellschaft in Reichweite
Die energieeffiziente Architektur dieses Projekts schafft alle Voraussetzungen, um zusammen mit effizienten haustechnischen Komponenten (Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung, Wärmeerzeugung mit Grundwasser-Wärmepumpe) den Minergie-P Standard zu erfüllen. Die thermische Gebäudehülle weist eine gute Kompaktheit auf (Gebäudehüllzahl A/AE <1) und ist mit sehr gut wärmegedämmten Bauteilen ausgerüstet. Die freitragenden Balkone vermeiden Wärmebrücken.
Allerdings würde die Verschattung die solaren Wärmegewinne bei der Berechnung nach SIA 380/1 um
30 % (Lauben) bis 40 % (Balkone) reduzieren. Nun ist die Heizperiode in einem Minergie-P-Gebäude wesentlich kürzer ist als nach SIA 380/1 Standard, wodurch der für die Wärmegewinne massgebende Sonnenstand dank der Ost-/ Westorientierung der Gebäude sehr tief liegt. Eine thermische Simulation zeigt, dass die Verschattung durch die Balkone die während der Heizperiode nutzbaren solaren Wärmegewinne nur um 7% (Ostrseite), respektive 11% (Westseite) reduziert. Bei den Laubengängen beträgt die Reduktion sogar nur 3% (Ostseite) und 4% (Westseite). Diese Berechnungsmethode wird von der Minergie-P-Zertifizierungsstelle akzeptiert.
Die raumhohen Fenster bringen viel Licht und solare Wärmegewinne in die Tiefe der Räume, ihre Dimensionen wurden auf die Nutzung passiver Solargewinne hin optimiert. Damit wird die Minergie-P Primäranforderung an die Gebäudehülle problemlos erreicht.
Die qualitativen Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz sind durch den aussenliegenden Sonnenschutz und die gute Wärmedämmung gewährleistet. Die im Sommer spürbare teilweise Verschattung der Ost- und Westfassaden durch Balkone und Laubengänge verbessert die Behaglichkeit im Sommer. Die sichtbaren aussenliegenden Rolladenkästen gewährleisten eine wirtschaftliche Bauweise und einen problemlosen Unterhalt.
Mit dem Einsatz von nachhaltigen und ressourcenschonenden Baumaterialien kann auch der Eco-Standard erreicht werden. Die Verwendung von Recyclingbeton und optimalen Dämmstoffen minimiert den Grauenergie-Anteil des Gebäudes. Das kluge Schachtkonzept und die aussenliegende Dachentwässerung ermöglichen gute Zugänglichkeit beim Unterhalt und hohe Flexibilität für zukünftige Erneuerungen.
Durch Integration der Untergeschosse in den Dämmperimeter werden nicht nur problematische Wärmebrücken und Schimmelprobleme vermieden, sondern auch die Voraussetzungen für eine vielseitige Nutzung dieser Räume geschaffen.
Auf den flachen Dächern können optional Photovoltaik-Kollektoren installiert werden. Allenfalls kann die Dachfläche auch einer Betreibergemeinschaft zur Verfügung gestellt werden.
Zusammen mit dem Mobilitätskonzept der Bauherrschaft ergeben sich ideale Voraussetzungen für das Erreichen der Ziele nach SIA-Effizienzpfad Energie für 2000-Watt-kompatibles Bauen.
Der natürliche Landschaftsraum fliesst durch
Die beiden markanten Wohngebäude werden bewusst an den Rand der Liegenschaft gelegt, um die ursprüngliche Topographie des Geländes weitgehend belassen zu können. Durch die Stellung der Bauten zueinander entsteht ein geschützter Innenbereich. Die historische Nutzung der Landschaft als Streuobstwiese wird wieder lesbar. Die offene Grünfläche wird mit Fruchtbäumen bepflanzt und über Wege durch die Blumenwiese erschlossen. An den Aussenseiten der Gebäude reihen sich alleeartig heimische Bäume wie Feldahorn oder Wildapfel, sie wirken als Filter zu den angrenzenden Verkehrsflächen.
Edern vor der Haustüre
Nutzpflanzen wie Beeren, Obst, Kräuter und Wildgemüse sind selbstverständlich in die Gartengestaltung der Anlage integriert. Sie können genutzt werden, müssen aber nicht. Vertikale Fruchtgärten an den zum Hof hin gerichteten Fassaden können aus jeder Etage geerntet werden. Gleichzeitig schaffen sie ein angenehmes Mikroklima für die Wohnungen und ein freundliches Ambiente für den Innenhof. Die äusseren Fassaden sind teilweise mit Kletterpflanzen bewachsen.
Durch die offene Gestaltung des Hofbereichs sind unterschiedliche Nutzungen möglich und können bei Bedarf auch verändert werden: Sandspielbereiche für Kleinkinder, Schlittelmöglichkeiten, Kiesplatz für Petanque, Ping Pong, Kletterbäume, Rutschbahn, Schaukel, Gemeinschaftsplätze mit Feuerstellen. Ergänzt werden die Aussenräume durch eine gedeckte Spiel- und Festhalle. Die offene Holzlagerhalle bleibt für diesen Zweck erhalten und soll von den Rankpflanzen eingewachsen werden.
Ein gegen Süden angelegter Nutzgarten bietet die Möglichkeit, einzelne oder mehrere Beete zu mieten, um Gemüse anzubauen. Wasseranschlüsse, eine gedeckte Laube mit Schopf für Werkzeug und Utensilien sowie eine gemeinsame Kompostierung für den Nutzgartenbereich ergänzen das Angebot.
Regenwasser wird zum Blütenbund
Alle Erschliessungen und der öffentliche Weg sind asphaltiert, das Regenwasser wird seitlich abgeführt und versickert. Gartenwege und Parkplätze werden mit durchlässigen Materialien gestaltet.
Das extensiv begrünte Flachdach dient der Retention und ermöglicht einen ökologisch wertwollen Trockenstandort. Anschliessend wird das Regenwasser im Innenhof durch einen Feuchtgraben in zwei Versickerungsflächen geleitet. Feuchtgraben und Sickerflächen sind mit Hochstauden intensiv bepflanzt und werden zu eigentlichen Farbbändern, die durch die Wiesenlandschaft mäandrieren.
Bei der Auswahl der Bäume, Sträucher und Stauden werden heimische Arten bevorzugt. Bei Nutzpflanzen werden ausschliesslich robuste, pflegeleichte Sorten gepflanzt. Die ganze Anlage liefert einen Beitrag zur Verbesserung der Biodiversität und wird damit zu einem wichtigen Trittstein für die Natur im Siedlungsraum.
Holzbauweise
Alle erdberührten Bauteile, sowie das Treppenhaus werden in Beton ausgeführt.
Alle übrigen Bauteile werden in konsequenter Holzbauweise und in Elementen erstellt.
Es handelt sich dabei um ein Stützen / Träger – System, welches eine gerade Lastabtragung durch das ganze Gebäude ermöglicht und eine maximale Veränderbarkeit innerhalb der Wohnungen zulässt. Die Spannweiten sind auf die Holzbauweise abgestimmt und ergeben wirtschaftliche Abmessungen der tragenden Bauteile. Das Treppenhaus dient der Gebäudestabilisierung für Einwirkungen aus Wind und Erdbeben. Alle anderen Bauteile sind nichttragend und ebenfalls in Holzbauweise.
Tragend ausgebildet sind die Längsfassaden und die zwei Innenachsen. Die vorfabrizierten Hohlkasten-Decken und das Dach lagern auf den Trägern auf und spannen von Fassade zu Fassade. Die Stützen und Träger in der Aussenwand sind in die Elemente integriert. Deren hochgedämmter, opaker Teil ist mit wärmebrückenarmen Dämmständern konstruiert.
Der schmale Lüftungsbalkon mit einem Boden aus kräftigen Lärchenbohlen, wird auf Stahlkonsolen aufgelagert. Die Wohnbalkone aus vorfabrizierten Betonelementen stehen unabhängig vom Holztragwerk auf Stahlstützen, werden aber durch die Decken stabilisiert. Die Stützen beim Gebäude sind in die Hinterlüftungsebene integriert.
Ein Installationshohlraum auf der Innenseite der Aussenwand ermöglicht eine konsequente und dauerhafte Abdichtung. Dadurch können Energieverluste vermindert und gute Schalldämmwerte erzielt werden.
Die Wohnungstrennwände sind aus Schallschutzgründen konsequent mit Vorsatzschalen versehen.
Brandschutz
Das Brandschutzkonzept in den beiden Längsgebäuden baut auf der Erschliessung mit Laubengängen auf dem Niveau 0 auf. Alle Oberflächen sind dabei nicht brennbar. Die Fassadenbekleidung entlang dieses Fluchtweges bestehen aus nichtbrennbaren Platten (Rockpanel). Über Fluchtkorridore werden die Treppenhäuser erschlossen. Die Fluchtbalkone enden entweder in einem offenen Treppenhaus in Massivbauweise (Etappe 1) oder direkt auf dem Terrain (Etappe 2). Es können ausserdem die Treppen in den Siedlungsraum zur schnellen Entfluchtung genützt werden. Es sind aus keinem Gebäudeteil mehr als 3 Stockwerke gegen unten, oder 1 Stockwerk gegen oben für die Entfluchtung zu überwinden. Dadurch können die Deckenuntersichten in den Wohnungen mit sichtbarem Holz ausgeführt werden.
Alle tragenden Bauteile werden auf Feuerwiderstand R60 resp. REI60 dimensioniert.
Überbauung Arbergstrasse
Winterthur
Kurzbeschrieb
Wohnüberbauung
120 Einheiten
Projektwettbewerb:
engere Wahl
Auftraggeber
Fritz Hagmann, Winterthur
Verfahren
Wettbewerb
Jahr
2012
Raumprogramm
120 Wohnungen